Es gibt sie NOCH- kleine Reste naturbelassener Flusslandschaften. Einer der bedeutensten-wenn nicht sogar der bedeutendste- naturnahe Abschnitt einer Gebirgsbachaue in Vorarlberg liegt an der Alfenz: die Strecke zwischen Radin/Außerbraz und Innerbraz ist auch im Vorarlberger Biotopinventar als Besonderheit ausgewiesen und beschrieben.

Die Alfenzaue zwischen Radin und Innerbraz zählt zu den bedeutendsten naturbelassenen Flussabschnitten Vorarlbergs (Karte:Vorarlberg Atlas, Biotope).
In gewässerökologischer und struktureller Hinsicht ist v.a. der Flussabschnitt in Innerbraz hervorzuheben. Hier ist das Bachbett stark aufgeweitet und die Alfenz hat Platz für eine weitgehend natürliche Dynamik mit Umlagerungen und Schotterbänken. Einzigartig ist die Furkation, die Aufspaltung in mehrere Seitenarme. Dort finden sich Laichplätze für Bachforellen oder Tümpel für Amphibien wie z.B. den Grasfrosch. Im Wechselspiel bilden sich Schotterbänke, Schlick- und Sandflächen. Diese Vielfalt an Ablagerungen, die der Fluss nach Hochwässern zurücklässt, ist Grundlage für eine hohe Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten in den Auen. Als erstes werden die Kiesbänke von lückigen Kiesbettfluren besiedelt. Je nach Substrat und Kleinrelief treten verschiedene Arten auf. Eine Besonderheit sind die vielen Alpenschwemmlinge, das sind Arten die in den Hochlagen wachsen und deren Samen durch Niederschlagsereignisse und Schneeschmelze mit den Gebirgsbächen in die Tieflagen transportiert wurden und nun auf den Schotterflächen ähnliche Lebensbedingungen vorfinden wie in ihrer alpinen Heimat: Kleine Glockenblume, Silberwurz, Wundklee, Alpen-Spitzkiel und Alpen-Tragant. Auch Arten von Magerrasen haben sich dazwischen angesiedelt wie z.B. das Grasnelkenblättrige Habichtskraut, die Kratzdistel oder das Kriechende Gipskraut. Es kommen auch Besiedler von Ruderalflächen wie der Blaue Natternkopf oder der Milde Mauerpfeffer vor. Die Kiesbettfluren bieten zudem Lebensraum für viele Insektenarten.
Die Kiesinseln werden auch von Weidengebüschen der Arten Reif-, Lavendel-, Schwarz- und Purpurweide besiedelt, welche die Schotterinseln festigen. Die dichten Gebüsche werden selten, aber regelmäßig überschwemmt. Im Mai und Juni brütet hier der Flussuferläufer.
Sobald es trockener wird verdrängen die Grauerlen die Weiden. Grauerlenauwälder sind charakteristisch für Gebirgsbäche. Als Gesellschaft der Weichholzauen sind aber auch Grauerlenauen auf regelmäßige Überschwemmungen angewiesen. Anschließend an die Grauerlenau auf den schotterreichen Terrassen der Alfenz haben sich Föhren-Trockenauen auf diesem Extremstandort entwickelt. Die Standorte liegen höher, im trockengefallenen Bereich der Alfenz Aue. Sie sind durch eine geringe Wasserkapazität und eine hohe Nährstoffarmut gekennzeichnet. Die Baumschicht wird von der Föhre dominiert, beigemischt sind häufig Fichten. Hier finden sich verschiedene Orchideenarten, aber auch Sträucher wie Weißdorn und Berberitze, die die langjährige Waldweide anzeigen.
Im Uferbereich finden sich immer wieder Spuren von Freizeitnutzung: Lagerfeuerstellen und Holzbänke. Die Alfenzauen sind nicht nur Lebensraum sondern auch viel und gern genutzter Naherholungsraum. Auch der Radweg von Bludenz Richtung Arlberg führt hier vorbei.
Trotz dieses Naturjuwels ist die Alfenz längst nicht mehr unbeeinflusst. Auf ihrem ca. 26 km langen Weg durch das Klostertal wurde die Alfenz durch Sicherungen der Uferböschungen v.a. im Bereich der Siedlungsgebiete und durch Schotterentnahmen in ihrer Struktur stark gestört. Massiv beeinträchtigt wurde der Fluss aber durch die verschiedenen Wasserfassungen für Kraftwerksnutzungen. Durch diese Wasserausleitungen ist die Alfenz fast durchgehend eine Restwasserstrecke, im Bereich Wald a.A. sogar eine Trockenstrecke. Nur im Oberlauf im Bereich Stuben und am Abschnitt im Mittellauf bei Innerbraz, von der Wasserrückgabe des dortigen Kraftwerkes bis zur Stauhaltung bei Radin, weist die Alfenz keine Störung durch Wassernutzungen auf! Doch genau diese Strecke ist nun durch das geplante Kraftwerk Radin der ÖBB in Gefahr!!
Text und Fotos: Anna Pichler , Quellen: Auwaldstudie (UMG Umweltbüro Grabher), Biotopinventar Vorarlberg, Gewässerinventar Teil 2 (Umweltinstitut)
Bildergalerie Juni 2014:
- Die gelb-scharzen „Tigerlarven“ auf dem Huflattich entwickeln sich bald zum rot-schwarzen Blutbär (Schmetterling).
- Eine typische Art der Ruderalflächen: der blaue Natternkopf.
- Auch weiter talauswärts bei Außerbraz bildet die Alfenz eine naturbelassene Flusslandschaft.
- Neben der S16 rechtsufrig und der Stromleitung linksufrig nutzt die Alfenz den ihr noch verbliebenden Raum.
- Flussraum ist Erholungsraum und Lebensader.
- In einem Tümpel am Weg fressen Grasfrosch Kaulquappen an einem ihrer Artgenossen.
- Auf dem Weg konnte sich ein Tümpel ausbilden- wichtiger Laiplatz für Amphibien wie z.B. Grasfrosch.
- Blick von der Aubruck (Radweg) in Innerbraz flussaufwärts Richtung Arlberg.
- Hier teilt sich die Alfenz in mehrere Flussarme auf (Furkation).
- Auengebüsche und in Folge Grauerlenau sind typisch für den Gebirgsfluss Alfenz in diesem Bereich.
- Nicht in Alaska oder sonstwo….nein! NOCH hier in Vorarlberg an der Alfenz in Innerbraz.
- Abfolge von der Grauerlenau zur Föhren-Trockenau.
- Besonderheit an der Alfenz: der bunte Schachtelhalm.
- Die Alfenz schafft mit ihren Umlagerungstätigkeiten verschiedene Lebensräume.
- Der milde Mauerpfeffer oder milde Fetthenne kommt auch in Felsfluren, Sandtrockenrasen, Mauern, Bahnanlagen und trockenen Kiefernwäldern vor.
- Das Kriechende Gipskraut zu Besuch aus seiner Heimat dem Magerrasen.
- Charakteristisch für die gefährdete Schwarz-Weide ist die grüne Blattspitze an der Blattunterseite.
- Nicht leicht zu sehen sind die kleinen Bachforellen in den Unterständen.
- Die Purpurweide mischt sich unter die anderen Weidenarten auf den Schotterbänken.
- Ein Nebenarm der Alfenz.
- Die Auwälder an der Alfenz stehen teilweise als Waldweide zur Verfügung.
- Die Fruchtkörper des rotrandigen Baumschwammes lassen darauf schließen, dass der tote Baum einst eine stolze Fichte war.
- Platz genug findet hier die Alfenz zum mäandrieren- einzigartig in Vorarlberg.
- Die Alfenzufer sind beliebter Erholungsraum, das zeigen die verschiedenen Einrichtungen.
- Die hohe Vielfalt der Auen resultiert auch aus der Vielfalt der Ablagerungen nach den Hochwässern: Grobkies, Sand, Schlick.
- Ausgeprägte Schotterbank der Alfenz mit Besiedelung durch Weidengebüsch (Lavendel-, Reif-, Schwarz- und Purpurweiden).
- Sukzession von der Kiesbettflur zum Weidengebüsch und Weichholzau.
- Bei diesem kräftigen Moos könnte es sich um dasseltene bunte Birnmoos handeln.
- Welche Ameise wohnt denn da?
- Schwemmholz kann auch Schutz geben und Nischen schaffen für die Besiedelung.
- Auf der Kratzdistel fällt der gebänderte Pinselkäfer noch mehr auf.
- Die Kleine Glockenblume ist einer von vielen Alpenschwemmlingen auf den Kiesbettfluren der Alfenz.
- Rotalgen bilden Überzüge auf den Steinen.
- Ein Vertreter der Pilzgattung Trameten- er zersetzt das Lignin im Holz.
- Im feinen Schlick hat sich ein Tümpel gebildet, super für Amphibien.
- Ein abwechslungsreicher Lebensraum von der Kiesbettflur bis zur Föhren-Trockenau.
- Das Sonnenröschen trägt zur Artenvielfalt auf den Kiesbettfluren bei.
- Der Wundklee findet auf den Schotterbänken ähnliche Lebensbedingungen wie in seiner alpinen Heimat vor.
- Die Kiesbettfluren der Alfenz sind Lebensraum für das gefährdete Rauhgras!
- Seitenarme, Kiesbänke, Schlickflächen, Weidengebüsch- Struktur- und Lebensraumvielfalt an der Alfenz.
- Der Alpen-Tragant als Gast aus der Höhe (Alpenschwemmling).
- Unterschiedlichstes Kleinrelief und Substrat prägt die Besiedelung der Kiesbettfluren.
- Seitenarme bilden sich in den Sand- und Schlickflächen.
- Blick von Innerbraz Richtung Außerbraz, Gasünd.
- Rechtsufrig wurde die S16 Arlbergschnellstraße teilweise sehr nahe an die Alfenz gebaut- was leider Ufersicherungen mit sich bringt.
- Die Samen des hübschen Alpen-Spitzkiel wurden mit dem Bachwasser bis in die tieferen Lagen der Alfenzaue herabgespült.
- Die Silberwurz wächst als Alpenschwemmling auf den Kiesbettfluren der Alfenz.
- Charakterart des Waldtyps Lawendelweidengebüsche als jungwüchsige Weichholzau.
- Wo keine Uferverbauungen gebaut werden, kann der Fluss noch „arbeiten“.
- Noch hat die Alfenz Wasser, doch es droht das Wasserkraftwerk Radin mit Wasserentzug!
- Gelber Farbtupfer auf den Schotterflächen.
- Auf dem mächtigen Schwemmfächer der Alfenz schließt die Föhren-Trockenau mit Fichte beigemischt an die Grauerlenau an.
Toller Beitrag zu einem überaus erhaltenswürdigen Naturraumrest in Vorarlberg! Dieser Flussabschnitt muss unbedingt so erhalten bleiben! Dieses Naturjuwel darf unter keinen Umständen einfach so einem anderen Interesse geopfert werden. Weil es inzwischen nicht mehr so viele Naturräume gibt, die noch sehr naturnah sind, müssen die NOCH vorhandenen Naturschätze einfach geschützt werden! Wir haben schon so viel verbraucht, dass die letzten Reste einfach nicht mehr anderen Zwecken gewidmet werden dürfen! Wir sind nun einmal in vielen Bereichen unseres Lebens an unseren Grenzen angelangt!
Ich rufe alle auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit Entschlossenheit um die Erhaltung unserer letzten Naturschätze im Land einzusetzen. Ganz besonders appelliere ich an die Politiker, die letzlich die Zustimmung zu allfälligen Umnutzungen od. für Eingriffe erteilen: Schützt die letzten Reste unserer NOCH vorhandenen Naturräume! Wir haben nicht mehr allzu viele davon!
Und noch etwas: Auf Initiative des Landes Vorarlberg wurden Flussexkursionsleiter ausgebildet u. die Möglichkeit zu Exkursionen an besonders schöne Fließgewässer des Landes ermöglicht. Bei diesen Exkursionen sollen die Jugend auf den besonderen Wert möglichst natürlicher Flussläufe aufmerksam gemacht werden. Dieses Angebot wurde schon sehr intensiv von Schulen genutzt u. die teilnehmenden Schüler waren immer sehr begeistert von den Aktionen in diesen wunderschönen Naturräumen. Gerade auch dieser Flussauabschnitt der Alfenz bei Innerbraz ist einer der ausgesuchten Plätze für so eine Flussexkursion, u. zw. wegen seiner so besonderen Schönheit u. Naturnähe. Es kann doch nicht sein, dass gerade einer der letzten noch vorhandenen so schönen natürlichen Flussabschnitte einem Kraftwerksporjekt geopfert werden soll! Es wäre in meinen Augen schizophren, wenn einerseits durch besondere Initiativen auf den besonderen Wert naturnaher Fließgewässer hingewiesen u. dafür auch beträchtlicher Aufwand betrieben wird u. gleichzeitig von Entscheidungsträgern des Landes dann gerade solche Räume durch Umwidmung zerstört werden sollten. Das wäre in meinen Augen eine völlige Unglaubwürdigkeit der zuständigen Landespolitik. Ich hoffe doch stark, dass wir noch von glaubwürdigen Politikern vertreten werden u. von solchen, denen die letzten Naturschätze des Landes auch uneingeschränkter Schutz wert sind.
Noch etwas: Auch sog. übergeordnete Interessen haben ihre Grenzen! Es sei auch die Frage erlaubt, wer eigentlich einer Angelegenheit das Kriterium übergeordnet zuweist. Wenn es eng ist, dann wird auch das Ringen um Werte härter u. die Frage, wer über die Verwendung der Naturraumreste entscheidet, immer drängender. Und inzwischen ist es eben eng geworden u. die NOCH vorhandenen Naturschätze sind eben von besonderem Wert, den es unter allen Umständen zu erhalten gilt!
Gebhard Burger, Schruns
Hat dies auf Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg rebloggt und kommentierte:
Sehr sehenswert: Bildergalerie von einer Exkursion in die Alfenzauen – eine der letzten Flussstrecken im Land, die die Bezeichnung „Naturjuwel“ wirklich verdient.
Kann mich den Worten von Herrn Burger nur anschliessen … die Alfenzauen sind einzigartig, im wahrsten Sinne des Wortes! Und wenn ich das sage, dann klingt dabei ein wehmütiges „leider“ mit, denn ich durfte Rhein, Ill, Lutz, Alfenz und wie die Bäche und Flüsse alle heissen mögen, nie in ihrem ursprünglichen Zustand erleben … hier in Braz existiert zumindest noch eine letzte Ahnung an die Wildflusslandschaften vergangener Zeiten.
Andreas Beiser
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